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(K)ein zweites Libyen

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Gastbeitrag von Fabian Stangier, als Antwort auf Nikolai Dahlmanns.

Seit nunmehr über einer Woche wartet die Weltgemeinschaft auf die von US Präsident Obama angekündigten Strafmaßnahmen gegen das syrische Regime, das in Verdacht steht am 21. August einen Giftgasangriff auf die syrische Zivilbevölkerung verübt zu haben. Die westlichen Staaten machen in einem Gleichklang das Assad-Regime für den Angriff verantwortlich, Beweise die diese Anschuldigung endgültig klären sind rar und schlecht überprüfbar. Seit Mitte des Jahres werfen sich Regime und die bewaffnete Opposition gegenseitig den Einsatz von Chemiewaffen vor und werden in ihrer Haltung von den jeweils unterstützenden Staaten bestärkt. So beschuldigte Russland die Opposition, im Juli 2013 mit Giftgas versetzte Granaten in der Stadt Aleppo eingesetzt zu haben. Einen klaren Überblick über die Lage in Syrien zu gewinnen ist kaum möglich. Sicher ist lediglich, dass Giftgas gegen die syrische Bevölkerung eingesetzt wurde. Sicher ist auch, dass die Weltgemeinschaft – gemäß ihrer moralischen Verpflichtung – einen solchen Einsatz nicht tatenlos zusehen kann. Hier beginnt jedoch das Dilemma.

Assads Warnung ernstnehmen

Assads Warnung eines aufkommenden Regionalkonflikts sollte sehr ernst genommen werden. Der syrische Konflikt ist schon lange kein innerstaatlicher Konflikt mehr. Er ist ein facettenreicher Regionalkonflikt mit weltpolitischer Bedeutung und religiösen Trennlinien. Ein Zentrum bildet hierbei Saudi-Arabien zusammen mit Katar, aufseiten der bewaffneten Opposition und Iran als Hauptunterstützer des syrischen Regimes. Beide haben die Intention, sich als nahöstliche Regionalmacht zu etablieren und ihre Macht- und Einflussbereiche auszubauen. Saudi-Arabien bedient sich verstärkt einer antischiitischen Rhetorik, der sich sogar gemäßigte Herrscher, wie der jordanische König Abduallah II. anschließen. Die Angst vor einem schiitischen Halbmond, der über Teheran,  Bagdad, Damaskus und dem Südlibanon scheint, wirkt in der arabischen Welt wie ein böses Omen, das es mit aller Macht zu abzuwenden gilt. Zwar gibt es keine saudische Truppenpräsenz in Syrien, im Gegensatz zur iranischen, dennoch machen weder Saudi-Arabien noch Katar ein Geheimnis aus ihrer Unterstützung der radikal islamischen Gruppen, wie der al-Nusra Front.

Da sich die antischiitische Rhetorik nicht nur auf das alawitische Assad-Regime bezieht, sondern auch die im Libanon beheimatete Hisbollah einschließt, erwächst die Gefahr einer erneuten Eskalation des Konfliktes der libanesischen Bürgerkriegsparteien. Zudem steigt mit der Zahl der Flüchtlinge auch die Zahl der Gegner und Befürwortet des Regimes im Libanon, der aufgrund seiner Geschichte ohnehin in dieser Frage tiefgespalten ist.

Eine weitere regionalpolitische Rolle kommt der Türkei zu. Die Regierung in Ankara zählt zu den größten Befürwortern eines militärischen Eingreifens gegen das Regime in Damaskus, hierbei geht es vor allem um die Stabilität der Grenzregion zu Syrien, die sich seit Beginn des Bürgerkriegs einer Flüchtlingswelle ausgesetzt sieht. Die Etablierung eines zweiten autonomen Kurdenstaates in Nordsyrien verängstigt die Türkei, die befürchtet, dass die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden in der Türkei wiederbelebt werden könnten und somit eine konkrete innenpolitische Gefahr darstellt. Diese Gefahr gilt es abzuwenden, wobei die Kurden in Syrien ihre erkämpfte Freiheit nicht ohne weiteres aufgeben werden und in ihren Bestrebungen vonseiten der irakisch-kurdischen Autonomie-Regierung gestützt werden.

Schlussendlich ist auch Israel von einem Eingreifen der Amerikaner betroffen, da es kein Interesse daran hat, dass es in Syrien zu libyschen Verhältnissen kommt. Ein unkontrollierter Zugang zu den Giftgasdepots oder Waffenarsenalen des syrischen Regimes hätte unabsehbare Folgen sowohl für die Sicherheit Israels als auch Europas.

Ost/West-Interessen

Das derzeitige Verhalten der USA und Russlands erinnert stark an das Gebaren beider Länder zu Zeiten des Kalten Kriegs. Die Nennung einer roten Linie durch Barack Obama, so richtig diese ist und war, bringt die amerikanische Regierung nun in Zugzwang, ihren Aussagen auch Taten folgen zu lassen. Russland auf der anderen Seite verhindert – zusammen mit China – seit Beginn des Konfliktes eine Resolution durch den UN-Sicherheitsrat, die in Augen vieler Staats- und Regierungschefs unerlässlich für ein militärisches Eingreifen in Syrien ist. Russland sieht sich anscheinend in der Verpflichtung einen seiner letzten Verbündeten in der Region beizustehen und seine schützende Hand über das Regime in Damaskus zu halten, nicht zuletzt weil Russland über einen militärischen Hafen in Tatrus für seine Mittelmeerflotte und über enge wirtschaftliche Verbindungen zu Syrien verfügt.

Ein zweites Libyen verhindern

Die Strategie der USA und ihrer Verbündeten sehen ein schnelles Eingreifen in Syrien vor. Hierbei sollen – laut Medienberichten – vor allem strategisch sensible Punkte und Streitkräfte getroffen werden, ohne jedoch aktiv in den Bürgerkrieg in Syrien eingreifen zu wollen.

Eine ähnliche Strategie verfolgte die NATO und ihre Verbündeten beim Libyen-Einsatz 2012, die schlussendlich zum Sturz des Gaddafis Regimes geführt hat. Dieser auf den ersten Blick begrüßenswerte Erfolg entpuppte sich auf den zweiten Blick als eine Strategie ohne Zukunft. Denn genauso wie in Libyen gibt es keine Strategie für den Fall des Sturzes des Damaszener Regimes. Nach dem Ende der Luftangriffe auf regimetreue Einheiten und Stellungen wurde Libyen seinem eigenen Schicksal überlassen und versinkt derzeit im Chaos. Massaker, öffentliche Morde und Sicherheitsdefizite sind alltäglich, weil konkurrierende Clans und Warlords um die Vorherrschaft im Land kämpfen. Weite Teile im Süden des Landes sind unkontrollierbar und Rückzugsorte von terroristischen Gruppen geworden, die die angrenzenden Staaten bedrohen. Ebenfalls ungesichert sind die Waffendepots des Regimes, dessen Arsenal sich in verschiedene Hände in der nahöstlichen Region verteilt hat.

Für eine erfolgreiche Intervention in Syrien bedarf es einer begleitenden Stationierung internationaler Truppen, die ausgestattet mit einem robusten Mandat für die Sicherheit der syrischen Bevölkerung sorgt, einschließlich der Überwachung des Übergangsprozesses hin zu einer geordneten Staatsmacht sowie der Sicherung der Waffendepots im Land.

Für eine erfolgreiche Beilegung des Konflikts bedarf es einen ähnlich langen Zeitraum, einschließlich der Stationierung ausländischer Truppen, wie im Kosovo oder Deutschland.

Eine erfolgreiche Schutzverantwortung bedeutet mehr als einzelne gezielte Luftschläge gegen despotische Regime. Es bedeutet Ideen und Pläne für die Zukunft des Landes zu haben sowie die Bereitschaft über einen langen Zeitraum hinweg Verantwortung zu übernehmen, um das Land in eine für alle Bevölkerungsgruppen friedvolle Zukunft zu führen.


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